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Vermeer IV
(Lockerbie)
2003

 
Vermeer IV (Lockerbie)

Walter Stach

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ORF.at
270 Tote in Schottland
20.05.2012


 

Der Name des schottischen Dorfes Lockerbie steht für eines der schwersten Flugzeugattentate der Luftfahrtgeschichte. Am 21. Dezember 1988 zerriss eine Bombe in 10.000 Meter Höhe über Lockerbie eine Boeing 747 der US-Fluggesellschaft PanAm.

An Bord starben 259 Menschen, darunter 190 US-Bürger. Elf Dorfbewohner wurden von Flugzeugtrümmern erschlagen. Zwei hochrangige Mitarbeiter des libyschen Geheimdienstes wurden als Attentäter beschuldigt. Sie sollen einen Koffer mit einer Bombe von Malta aus auf die Reise geschickt haben. Drei Jahre nach dem Anschlag erließen die USA und Großbritannien Haftbefehl gegen die Agenten, die sich in Libyen aufhielten. Um ihre Auslieferung zu erzwingen, verhängten die Vereinten Nationen im März 1992 Sanktionen gegen Libyen.


Bilder der Verwüstung nach dem Absturz in Lockerbie. AP

Tripolis lieferte die Verdächtigen schließlich aus, machte aber zur Voraussetzung, dass die UNO regelmäßig ihre Haftbedingungen überprüft. Im Jänner 2001 wurde der Libyer Abdelbaset Ali Mohammed al-Megrahi von einem Sondergericht nach schottischem Recht in den Niederlanden zu lebenslanger Haft verurteilt.

Libyen gestand Verantwortung ein
Der zweite Angeklagte wurde damals freigesprochen, der Schuldspruch gegen Megrahi hingegen in einer Berufungsverhandlung im März 2002 bestätigt. Der bis dahin in den Niederlanden inhaftierte Terrorist wurde zur Verbüßung seiner Strafe nach Schottland gebracht, ehe er 2009 wegen einer Krebserkrankung vorzeitig freikam.

Libyen erklärte sich im April 2003 für den Anschlag verantwortlich und sagte Entschädigungszahlungen von insgesamt 2,7 Mrd. US-Dollar an die Hinterbliebenen zu. Als Reaktion darauf hob der UNO-Sicherheitsrat die Sanktionen auf. Am 15. Mai 2006 strichen die USA Libyen von ihrer Terrorliste.

Megrahi selbst stritt bis zuletzt jede Schuld ab - doch nicht nur deshalb wurden immer wieder Zweifel daran laut, dass er tatsächlich der Drahtzieher des Attentats war. Erst 2010 war von neuen Indizien und einer Neuaufnahme der Ermittlungen die Rede gewesen. Diese konnte damals freilich auch einen politischen Hintergrund gehabt haben: Die Freilassung Megrahis hatte schwere Kritik an der britischen Regierung ausgelöst, vor allem von US-Seite. Neue Beweise wären dann eine späte Rechtfertigung für die Vorgangsweise gewesen.

Geld an Belastungszeugen?
Bei dem Schuldspruch wurde nicht geklärt, wer den Auftrag gegeben hatte und was die Geheimdienste darüber wussten. Megrahi veröffentlichte nach seiner Freilassung auf seiner Website Dokumente, aus denen hervorgeht, dass einer der Hauptbelastungszeugen offenbar mit Einwilligung der US-Regierung bis zu zwei Millionen Dollar (1,4 Mio. Euro) für seine Aussage erhalten hatte.

Eine schottische Kommission zur Überprüfung von Strafprozessen kam demnach zu dem Schluss, dass der Geschäftsinhaber Tony Gauci aus Malta nach einer Anfrage beim US-Justizministerium bis zu zwei Millionen Dollar erhielt. Eine weitere Millionen soll demnach an seinen Bruder Paul geflossen sein.

Nie auf Malta?
Gauci hatte im Prozess ausgesagt, dass Megrahi Kleider in seinem Geschäft gekauft habe, die später in dem Koffer mit der Bombe gewesen sein sollen. Auf die Anfrage bei der US-Regierung war die schottische Untersuchungskommission demnach in privaten Aufzeichnungen von Ermittlungsbeamten gestoßen.

Demnach gibt es auch keine Beweise dafür, dass Megrahi zum fraglichen Zeitpunkt auf Malta war. Die schottische Polizei hatte Megrahis Anwälte den Angaben zufolge nicht darüber informiert, dass ein weiterer Zeuge an einem anderen Tag zwei libysche Männer beim Kauf von ähnlicher Kleidung beobachtete.

Schon in der Debatte über die Freilassung Megrahis wurden auch die kritischen Stimmen wieder laut, die davon ausgehen, dass sich das Attentat ganz anders abgespielt hatte. Die schottische Parlamentsabgeordnete Christine Grahame fasste in einem Gastartikel für den „Independent“ die Hauptargumente der Skeptiker zusammen: Nur fünf Monate vor Lockerbie habe ein US-Zerstörer eine iranische Verkehrsmaschine mit 290 Menschen an Bord - angeblich versehentlich - abgeschossen.

Beim Iran weggesehen?
Ein Racheakt des Iran sei naheliegend gewesen. Aus politischen Motiven sei dieser Spur aber nicht nachgegangen worden: Angesichts des US-Angriffs auf den Irak nach dessen Invasion Kuwaits erschien US-Präsident George Bush senior eine Konfrontation mit dem Iran zu gefährlich zu sein. Stattdessen sei Libyen aus dem Hut gezaubert worden, obwohl es auch Spuren etwa nach Syrien gegeben habe. Grahame wies auch darauf hin, dass einige Angehörige wie auch zahlreiche Experten Megrahi für ein Bauernopfer halten.

Immer wieder wurde als möglicher Drahtzieher Ahmed Dschibril, Chef der in Damaskus beheimateten und von Syrien und dem Iran unterstützten radikalen palästinensischen Splittergruppe „Volksfront für die Befreiung Palästinas - Generalkommando“, genannt. Teheran könnte den Auftrag zu dem Attentat gegeben und die Gruppe auch fürstlich dafür entlohnt haben, wurde immer wieder gemutmaßt. Wieder andere Gerüchte sahen den aus Syrien stammenden internationalen Waffenhändler Monser al-Kassar in das Attentat verwickelt.

Viele Gerüchte
Eine noch abenteuerlichere Theorie wiederum besagt, dass eine CIA-Sondereinheit syrischen Drogenhändlern gestattete, Heroin in die PanAm-Maschine zu schmuggeln - als Gegenleistung für syrische Unterstützung bei dem Bemühen, US-Geiseln im Libanon freizubekommen. Und schließlich geisterte auch der Name Abu Taib, ein später in Schweden verhafteter Palästinenser, durch diverse Berichte. In seinem Kalender soll der Tag des Attentats markiert gewesen sein.

http://orf.at/stories/2121411/2121400/
Aufruf: 22.12.2013

 
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