Die Stille nach dem Attentat: Trümmer des Jumbojets
„Maid of the Seas” auf einem Feld bei Lockerbie
in Schottland im Dezember 1988

Als Flora Swire ein Last-Minute-Ticket für den Pan-Am-Flug 103 kaufte, war sie eine begabte, lebenslustige britische Medizinstudentin. Bald würde sie eine Stelle an der Universität Cambridge antreten. Über Weihnachten wollte sie nach New York, um dort ihren 24. Geburtstag zu feiern, bei ihrem Verlobten. Doch Flora Swire kam nie an. Im Jumbojet „Maid of the Seas” war sie in London- Heathrow gestartet und 38 Minuten unterwegs, als eine gewaltige Detonation ein Loch in die Maschine riss. In 9400 Meter Höhe über der schottischen Kleinstadt Lockerbie brach die Boeing 747 auseinander und stürzte als Feuerball ab. In Lockerbie starben elf Bewohner unter den Trümmern, an Bord tötete die Bombe alle 259 Insassen. Das geschah am 21. Dezember 1988 gegen 19 Uhr Ortszeit. Bilder vom Trümmerfeld, so groß wie das Saarland, gruben sich ins Gedächtnis der Welt. Schnell wurde klar, dass eine Bombe aus Plastiksprengstoff den größten Terroranschlag in Europas jüngerer Geschichte herbeigeführt hatte.

Gut ein Jahrzehnt später saß Floras Vater, der Landarzt Jim Swire, im Gerichtssaal. Er verfolgte den Prozess um das Attentat, das ihn seiner Tochter beraubt hatte. Als der Mann mit dem schlohweißen Haar das Urteil vernahm, brach er zusammen. Das Gericht hatte gerade einen libyschen Geheimdienstoffizier verurteilt, dem ein politisch motiviertes Attentat angelastet wurde. Swire konnte das nicht fassen. Nach seiner Überzeugung wurde der falsche Mann ins Gefängnis geschickt. Sollte er recht haben – der Tod seiner Tochter bliebe ungesühnt. Der Gedanke traf ihn ins Mark.

Seither widmet er sein Leben der Suche nach ihren wahren Mördern. „Ich habe mich immer gefragt, ob Flora stolz auf das wäre, was ich tue.” Swire glaubt, seine Tochter würde so handeln wie er: „Sie war eine echte Wahrheitssucherin.” Er hofft, dass das Lockerbie-Urteil für null und nichtig erklärt wird. Diese Erwartung hat nun zuletzt mächtig Auftrieb erhalten. In Schottland entscheidet sich Anfang 2020, ob der Fall neu aufgerollt werden muss. Darüber berät derzeit eine vom Parlament eingesetzte Kommission, die Justizirrtümer aufdecken soll. Sie kann dem obersten Gericht des Landes empfehlen, ein Revisionsverfahren in Gang zu setzen.

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