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Vermeer IV
(Lockerbie)
2003

 
Vermeer IV (Lockerbie)

Walter Stach

DE EN

 

Reto Gratwohl
Der Terroranschlag von Lockerbie – als vor 30 Jahren die Pan Am 103 explodierte
NEUE ZÜRCHER ZEITUNG
21.12.2018


 

Am 21. Dezember 1988 explodierte an Bord einer Boeing 747 der amerikanischen Fluggesellschaft Pan Am auf dem Flug von London nach New York eine Bombe. Der Anschlag kostete 270 Personen das Leben – die Bilder, die kurz vor Weihnachten im Jahr 1988 um die Welt gehen, erschüttern noch heute.

Es ist der 21. Dezember 1988, 19.30 Uhr Ortszeit. Der Pan-Am-Flug 103 befindet sich auf dem Weg von London nach New York, als plötzlich der Funkkontakt mit der Maschine mit 259 Passagieren abbricht. Die schottische Kleinstadt Lockerbie befindet sich bereits in weihnachtlicher Stimmung. Die Menschen sitzen vor ihren Kaminen, und die Weihnachtsbeleuchtungen glitzern um die Wette. Dann ist plötzlich ein ohrenbetäubender Knall zu hören. Kurze Zeit später verwandeln Hunderte vom Himmel fallende Teile der 300 Tonnen schweren Pan Am 103 das rund 120 Kilometer südöstlich von Glasgow liegende Städtchen in eine Feuerhölle.

Eine Explosion von 340 bis 450 Gramm Plastiksprengstoff zerstört den Jumbo auf einer Flughöhe von etwa 9400 Metern über der Ortschaft Lockerbie. Flugzeugtrümmer und Gepäckstücke werden in einem Umkreis von 130 Kilometern verstreut. Leichen liegen auf Dächern, in Vorgärten, auf Wiesen oder hängen – von den Suchtrupps tagelang unbemerkt – in Bäumen. Bei der schlimmsten Flugzeugkatastrophe in der Geschichte Grossbritanniens sterben insgesamt 270 Menschen, alle Insassen der Maschine und elf Einwohner von Lockerbie.

Bild oben: Luftaufnahmen von Lockerbie zeigen das Ausmass der Verwüstung.

Bild oben: Ein Teil des Rumpfes der Boeing 747 stürzt auf ein Feld ausserhalb von Lockerbie.

Die meisten Passagiere werden aufgrund des Sauerstoffmangels während des Falls bewusstlos, doch die Gerichtsmediziner werden später feststellen, dass einige das Bewusstsein wiedererlangten, als sie sauerstoffreichere Luftschichten erreichten.

Zerstörte Häuser, Flugzeugtrümmer, dazwischen Körperteile von Passagieren, welche sich im Flugzeug befanden – die Bilder, die kurz vor Weihnachten im Jahr 1988 um die Welt gehen, erschüttern.

Auf der Suche nach der Unglücksursache suchen Soldaten, Polizisten und Freiwillige tagelang nach Flugzeugteilen und sterblichen Überresten von Opfern. Eines wird aber schnell klar, beim Absturz des Pan-Am-Flugs 103 handelt es sich um einen Terrorakt, welcher die USA mitten ins Herz trifft. Es sterben mehr US-Bürger als bei jedem anderen Terroranschlag vor dem 11. September 2001 – unter den 270 Menschen, die ihr Leben verlieren, sind 189 Amerikaner.

Radiorecorder diente als Bombe

Der Terroranschlag von Lockerbie ...
Florence Bissett, Zweite von rechts, deren 21-jähriger Sohn
Kenneth beim Absturz des Pan- Am-Fluges 103 über Schottland
am 21. Dezember ums Leben kam, wird von Angehörigen
anderer Unfallopfer während eines Protestes vor dem Pan-Am-
Hauptquartier in New York am 3. Juni 1989 getröstet.
(Bild: Adam Stoltman / AP)

Amerikaner, die bei dem Angriff geliebte Menschen verlieren, fordern Antworten und zeigen sich unerbittlich auf der Suche nach der Wahrheit. Schnell geraten die laschen Sicherheitskontrollen an den Flughäfen ins Visier. Die Fluggesellschaft Pan Am wird mit mehreren Klagen wegen Verletzung von Sicherheitsregeln zu finanziellen Strafen verurteilt. 1991 muss die Fluggesellschaft Konkurs anmelden und stellt kurz darauf ihren Betrieb ein. Der Grundstein für die rigorosen Sicherheitskontrollen, so wie wir sie heute kennen, wird gelegt.

Der Terroranschlag von Lockerbie ...
Rekonstruktion des Flugzeugs durch Flugunfallermittler.
(Bild: Kieran Doherty / Reuters)

Auf der Suche nach der Unglücksursache setzen Experten die über 10 000 Trümmerstücke in einem gigantischen Puzzle wieder zusammen. Bei den Untersuchungen werden auf Trümmerteilen des Flugzeuges Sprengstoffrückstände sichergestellt, die auf den Einsatz einer hoch leistungsfähigen Plastikbombe schliessen lassen. Bald wird klar, der Grund des Absturzes war ein Sprengsatz, welcher in einem Radiorecorder versteckt war, transportiert in einem Reisekoffer, der an Bord der Maschine gelangt war.

Der Terroranschlag von Lockerbie ...
Nachbau der Semtex-Bombe wie diejenige an Bord von PA 103.
Eingebaut in einem Radiorecorder. (Bild: Crown Ofice / AP)

Die Verbindung zu Libyen

Der Absturz der Pan-Am-Maschine ist nicht nur eine Luftfahrtkatastrophe, sondern auch eines der aufsehenerregendsten Justizereignisse des 20. Jahrhunderts. Schnell gerät der nordafrikanische Staat Libyen in den Verdacht, bei dieser Katastrophe eine führende Rolle gespielt zu haben. Ein möglicher Grund: 1986 hatten die Spannungen zwischen den USA und Libyen ihren Höhepunkt erreicht, als sich die beiden vor der libyschen Küste in umstrittenen Gewässern gegenseitig beschossen. Nach dreijährigen Ermittlungen der britischen und amerikanischen Behörden werden schliesslich Haftbefehle gegen zwei libysche Staatsangehörige erlassen. Die Gerichte gehen von einem staatsterroristischen Akt aus, bei dem man Libyens Machthaber Ghadhafi als Drahtzieher verdächtigt.

Der Terroranschlag von Lockerbie ...
Ghadhafi spricht am 5. Februar 2001 über den Fall Lockerbie
vor den Medien. (Bild: Courtney Kealy / Newsmakers)

Nach ersten Weigerungen und etlichen westlichen Sanktionen gegenüber Libyen übernimmt Ghadhafi schliesslich die volle Verantwortung für den Anschlag, offiziell zwar ohne je eine Schuld einzuräumen, doch das Attentat soll als Vergeltung für zwei US-Bombenangriffe im Jahre 1986 persönlich von Machthaber Muammar al-Ghadhafi in Auftrag gegeben worden sein.

Der Terroranschlag von Lockerbie ...
Vor der saudischen Botschaft in Tripolis demonstrieren
Angehörige des libyschen Ex-Geheimdienstmanns Abdelbaset
Ali al-Megrahi gegen seine Verhaftung, 3. Februar 2001.
(Bild: Amr Nabil / AP)

Zur einzigen Verurteilung kommt es 2001, als ein schottisches Gericht den libyschen Ex-Geheimdienstmann Abdelbaset Ali al-Megrahi zu lebenslanger Haft verurteilt. Er erkrankt an Krebs und wird 2009 nach einer umstrittenen Entscheidung des schottischen Justizministers vorzeitig aus der Haft entlassen. In Libyen wird er wie ein Held empfangen, er lebt noch drei Jahre in Tripolis. Viele Fragen sind bis heute offen, und ebenso viele Verschwörungstheorien stehen im Raum.

https://www.nzz.ch/international/attentat-von-lockerbie-vor-30-jahren-explodierte-die-pan-am-103-ld.1441617?mktcid=nled&mktcval=102&kid=_2018-12-21
Aufruf: 21.12.2018

 
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