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IO#6
1999

 
Walter Stach: IO#6. 1999

Walter Stach

DE EN

 

Michael Kohler
Sinn und Sinnlichkeit
In: art DAS KUNSTMAGAZIN
Jänner 2020

 

Antoine Watteau glaubte nicht mehr an die Ideale des Barock. Mit seinem Bildnis eines Pierrot, das heute im Pariser Louvre hängt, fing er den Wandel seiner Epoche ein, der in der Französischen Revolution mündete

Eine Zeit Lang wurde das Wort »Rokoko« mit einer solchen Verachtung ausgesprochen, als wäre es selbst den französischen Revolutionären von 1789 vor allem darum gegangen, diesen tändelnden, sich im schönen Schein verlierenden Kunststil abzuschaffen. Aber wie das Kaiserreich selbst war auch das Rokoko nicht totzukriegen. Erst begannen die Künstler von der Boheme von seinen galanten Festen und unbeschwerten Tagen im Freien zu schwärmen, dann folgten die bessere Gesellschaft und die Modemagazine für das kleine Bürgertum. Venezianisches Rotblond wurde die Haarfarbe der Stunde, auf Kostümfesten drängelten sich grazile Schäferinnen, und in den 1860er Jahren konnte man sich eine ganze Alltagsgarderobe im Rokokostil zusammenstellen. Auch der LOUVRE, wo man die Rokokokunst viele Jahre eher skeptisch betrachtete, gab seinen anfänglichen Widerstand auf und zeigte, was das Publikum so vehement von ihm verlangte.

Im Zentrum der damaligen Rokokomanie stand ein Maler, von dem wir heute immer noch wenig mehr wissen als seine Bewunderer des 19. Jahrhunderts: Antoine Watteau (1684 bis 1721). Das mag daran liegen, dass der früh gestorbene Watteau selbst Freunden ein Rätsel blieb und sich die zeitgenössischen Nachrufe auf ihn teilweise wie Schilderungen verschiedener Personen lesen. Aber es ist auch eine Folge der ungeheuren Popularität, die er Mitte des 19. Jahrhunderts genoss. Während bei stilbewussten Bürgern Fächer mit Watteau-Motiven gefragt waren, überboten sich künstlerische Kreise darin, den Maler als Propheten ihrer eigenen Vorstellungen und Sehnsüchte zu feiern. Bei den Brüdern Edmond und Jules de Goncourt, zu ihrer Zeit kulturelle Wortführer der französischen Gesellschaft, klang das so: »Watteau ist der erste moderne Künstler im schönen und sorglosen Sinn des Wortes«, schrieben sie in ihrer Kunstgeschichte des 18. Jahrhunderts. »Er suchte nach dem Ideal, verachtete das Geld, nahm keine Rücksichten auf das Morgen und lebte ein Leben voller Zufälle, ein Leben der Boheme.«

Antoine Watteau: Pierrot. 1718/19

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